Wie schafft man großartige Innenarchitektur, Tilla Goldberg?
Großartige Innenarchitektur, vor allem mit nachhaltigen Standards, kann eine Herausforderung sein. Wir haben iF Jurorin Tilla Goldberg von der Ippolito Fleitz Group gefragt, was es heute braucht, um ein guter Innenarchitekt zu sein. Für sie sind sechs Prinzipien entscheidend.
Wenn man an Innenarchitektur denkt, denkt man ganzheitlich!
Wir denken nie an Produkte oder Objekte für sich oder in einem Vakuum. Wir entwerfen nie, ohne den Kontext zu kennen. Bei allem, was wir tun, verstehen wir den Raum, der uns umgibt. Wir wissen, wer die Menschen sind, die ihn nutzen werden. Aus welcher Richtung das Licht kommt. Das ist natürlich großartig, denn so können wir viel kraftvoller und zielgerichteter gestalten und eine Geschichte entwickeln.
Bei unseren Projekten für Markenräume bringen wir verschiedene Disziplinen an einen Tisch: Architekten, Innenarchitekten, Materialspezialisten, Grafik- und Kommunikationsdesigner. Ganz gleich, ob es sich um Messestände, Showrooms oder den Einzelhandel handelt: Man muss sehr nah an der Marke sein, denn man muss von Anfang an eine sehr starke Erzählung entwerfen. Man muss sich in die Markenidentität hineinversetzen und dann das, was dort steht, in den Raum transportieren. Wir versuchen, Identitäten tief zu verstehen und sie mit Räumen und Objekten zu unterstreichen.
Sei so spezifisch wie möglich.
Wenn wir die Inneneinrichtung eines großen Bürogebäudes entwerfen, denken wir über die Atmosphäre nach, die der Raum ausstrahlen soll. Was fühlen wir, wenn wir das Gebäude betreten? Wie sieht die bestmögliche Willkommensgeste aus, wie sieht der Empfang aus? Vom Empfangsbereich über Lichtinstallationen bis hin zu einer Lounge: Das ist oft der erste Berührungspunkt, an dem sich die Menschen aufhalten.
Wenn wir Marktlücken sehen - Produkte oder Möbel, die es noch nicht gibt - füllen wir sie gerne selbst. So habe ich zum Beispiel für Brunner einen grünen Raumteiler entwickelt - ein modulares System, das wir PARA VERT nennen, weil wir einen Raum mit viel Grün gestalten wollten, aber keinen solchen Raumteiler auf dem Markt finden konnten. Offene Arbeitsräume schreien geradezu nach einem solchen Raumtrenner. Brunner vertreibt PARA VERT nun als Serienprodukt.
Prozesse nachhaltig gestalten.
Ich finde diesen Ansatz viel sinnvoller, als noch einen Beistelltisch zu entwerfen, davon gibt es schon genug. Wir entwerfen zunächst maßgeschneiderte Lösungen, und wenn etwas entwickelt wird, was es auf dem Markt nicht gibt, können wir daraus ein Serienprodukt ableiten.
IFG trägt eine große Verantwortung für die Nachhaltigkeit, denn wir sind oft diejenigen, die den Kunden Empfehlungen geben. Wir versuchen immer, neue Lösungen vorzuschlagen und neue Denkansätze für Räume und Produkte zu eröffnen.
An die Zukunft denken und Technologien nutzen.
Da die Weltbevölkerung wächst und die Lebensstile der Menschen immer vielfältiger und komplexer werden, sehen wir uns als diejenigen, die Lebensumgebungen schaffen, die neue Möglichkeiten bieten. Wir lieben es, Menschen mit Räumen und Objekten zu inspirieren und ihnen neue Denk- und Lebensweisen aufzuzeigen. Es gibt viele Fragen, und die Rolle eines Designers ist es, Ideen und ermutigende Lösungen zu liefern. Wir hinterfragen die Art und Weise, wie wir arbeiten, wie Menschen zusammenleben, wie sie reisen, welche Art von Räumen wir brauchen, welche Objekte und Dinge notwendig sind.
Was die Inspiration angeht, so sehen wir auch, dass die digitale Erweiterung all unserer Projekte extrem wichtig geworden ist.
Vor der Pandemie haben wir für Object Carpet eine Teppichkollektion entworfen, die 2020 auf dem Salone del Mobile in Mailand ausgestellt werden sollte. Der Messestand war einzigartig, inspiriert von den Bögen der Färbemaschine, die den Teppichen ihre schöne, satte Farbe verleiht. Wir waren überzeugt, dass die physische Ausstellung sehr wichtig war. Wir planten eine Kampagne mit der wunderbaren Modefotografin Monica Menez, zunächst nur für die Musterbücher.
Dann kam Covid, und die Messe wurde abgesagt. Wir entwickelten die Idee, stattdessen einen Kurzfilm zu drehen. Monica ließ die Models durch diese Welt der Teppiche laufen und drehte einige absurde Szenen mit den Teppichen.
Diese völlig ungeplante, rein digitale Kampagne erreichte ein breites Publikum und öffnete Object Carpet - und auch uns - viele unerwartete Türen.
Erweitere deinen Horizont.
Neugier ist eine meiner wichtigsten Triebfedern im Leben. Schon während meines Studiums des Produktdesigns bei Richard Sapper an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart hatte ich das Gefühl, dass ich andere Sichtweisen auf Design kennen lernen musste.
Ich ging nach London, um für Inflate und Ross Lovegrove zu arbeiten - das totale Gegenteil des eher akademischen Bauhaus-Ansatzes.
Mein Diplomprojekt war eine solarbetriebene Fähre, die immer noch auf dem Bodensee verkehrt und viele Preise gewonnen hat. Aber ich wollte mich nicht auf Solardesign beschränken. Deshalb arbeitete ich in Tokio und New York, um noch mehr unterschiedliche kulturelle Designkontexte zu erleben.
Danach gründete ich mein eigenes kleines Produktdesignstudio GOLDEN PLANET in Köln. Ich denke, die Welt zu erkunden und verschiedene Perspektiven einzunehmen, ist die beste Grundlage für relevante neue Ideen!
Erfahrungen sammeln.
Wenn Sie neugierig und enthusiastisch sind und Herausforderungen lieben, dann bewerben Sie sich doch für ein Praktikum bei der Ippolito Fleitz Group in Stuttgart, Berlin oder Shanghai.